Explosionen in der Sonntagsnacht
Anderthalb Stunden nach Verkaufsschluss stand der Grenzbasar von Osinów Dolny plötzlich in Flammen. Rund 200 Marktstände wurden bei dem Brand auf dem Grenzbasar im polnischen Osinów Dolny (Niederwutzen) zerstört. Über 250 polnische und genau 99 Feuerwehrleute aus Märkisch-Oderland waren an den Löscharbeiten beteiligt. Verletzt wurde bei dem Feuer niemand.
Mehrere Explosionen zerrissen die dörfliche Stille am Sonntagabend in Hohenwutzen. „Wir waren gerade nach Hause gekommen und hörten kurz hintereinander mehrere dumpfe Schläge“, berichtet Simone Frömmer, die in Hohenwutzen auf der deutschen Seite der Oder wohnt. Erschrocken sei sie auf die Straße gerannt. Der Himmel war weiß vor Rauch, der auf der gegenüberliegenden Seite der Oder aufstieg. Weil sie ohnehin noch zum Tanken fahren wollte, machte sie sich gleich auf den Weg zur Grenze. Erst dort erkannte sie das Ausmaß des Unglücks. Wieder und wieder vernahm Simone Frömmer Explosionen. Feuerwerkskörper, die an den Ständen zum Verkauf angeboten worden waren, und Gasflaschen für Heizstrahler gingen in die Luft. Starke Windböen ließen die Flammen immer wieder auflodern.
In Panik seien die Händler umhergerannt, um ihr Hab und Gut zu retten, berichtet die Hohenwutzenerin. „Wir hatten Angst, dass die vordere Tankstelle mit in die Luft geht“, schildert Knut Wickidal, Inhaber des Hotels „Zur Fährbuhne“, das direkt an der Oder liegt, seine Eindrücke. Die Druckwelle hätte womöglich sein Haus in Mitleidenschaft gezogen. Doch mit dem Unglück seien auch die Schaulustigen gekommen. Jugendliche verabredeten sich über Facebook, trafen sich an der Oder in Hohenwutzen, um mit der Bierflasche in der Hand das Schauspiel zu verfolgen.
Kurz nach 18.30 Uhr muss das Feuer auf dem zwischen zwei Tankstellen gelegenen Gelände ausgebrochen sein. Etwa anderthalb Stunden zuvor war der Markt – so wie an fast jedem Tag in dieser Jahreszeit – bereits geschlossen worden. „Unsere Wachleute, die mich um 18.35 Uhr anriefen, berichteten mir, dass sie noch fünf Minuten zuvor an der Stelle waren, an der es plötzlich brannte.“ Das erzählt Nicolas Gesch, der Geschäftsführer des von mehreren Deutschen und Polen gemeinsam verwalteten „Polenmarktes Hohenwutzen“. Die Möglichkeit, dass der Brand gelegt wurde, sei deshalb nicht ausgeschlossen.
Die deutschen Feuerwehrleute, die schon gegen 19 Uhr von dem Geschehen erfahren hatten, konnten jedoch erst um 21.10 Uhr ausrücken, nachdem das offizielle Hilfeersuchen der polnischen Seite an die Leitstelle für Rettungsdienste und Feuerwehren in Frankfurt (Oder) ergangen war. Es gebe ein Abkommen über gegenseitige Hilfeleistung, aber ohne das offizielle Ersuchen der anderen Seite könnten die Feuerwehren nicht über die Grenze fahren, sagt Martin Zohles, Mitarbeiter der Abteilung Brandschutz und erweiterter Katastrophenschutz des Landkreises Märkisch-Oderland.
Carsten Greim, Chef der Leitstelle in Frankfurt, erzählt sogar, dass die auf polnischer Seite zuständige Leitstelle in Stettin noch um 20.36 Uhr mitgeteilt habe, dass man die Lage wohl selbst in den Griff bekommen werde. Erst als dann vier Minuten nach neun doch ein Ersuchen eintraf, sei der vierte Zug der Brandschutzeinheit Märkisch-Oderland mit 23 Fahrzeugen und 54 Pressluftatemträgern alarmiert worden. Zusätzliche Ausrüstung sei vom Feuerwehrtechnischen Zentrum nachgeordert worden. Bis 22 Uhr sammelten sich die deutschen Feuerwehren vor der Grenze, um gemeinsam hinüberzufahren.
„Als wir eintrafen, war das Feuer nicht mehr so groß, die Markthalle jedoch ziemlich verraucht“, berichtet René Erdmann. Der Stadtbrandmeister von Bad Freienwalde war am Sonntagabend zusammen mit weiteren 98 Einsatzkräften aus den Feuerwehren Bad Freienwalde, Altranft, Neuenhagen/Insel, Hohenwutzen, Hohensaaten, Bralitz, Neutrebbin, Neulewin und Müncheberg zum Großfeuer nach Osinów Dolny gerufen worden.
Erdmann leitete den Einsatz von deutscher Seite. Am schwierigsten habe sich die Koordination mit den Polen erwiesen. „Als wir ankamen, herrschte ein großes Durcheinander. Viele Menschen, vermutlich die Standbetreiber, versuchten in ihrer Not noch Kleidung zu retten“, so Erdmann.
Zudem sei unklar gewesen, wer von polnischer Seite der Einsatzleiter gewesen sei. „Die polnische Feuerwehr hat andere Strukturen als wir. Rein äußerlich konnte man nicht erkennen, wer den Hut auf hatte. Insofern war es nicht so einfach, den Einsatz zu koordinieren.“ Hinzu kamen noch Sprachprobleme. Glücklicherweise konnte Halina Raddatz, eine in Bad Freienwalde lebende Polin, nach Osinów Dolny zum Übersetzen geholt werden.
Von einem reibungslosen Ablauf in seinem Abschnitt, spricht hingegen Wolfgang Schure, stellvertretender Leiter der Hohenwutzener Feuerwehr, der mit 15 Leuten nach Polen eilte. „Wir kannten einen Teil der Feuerwehrleute“, sagte Schure. Für ihn habe sich auch ausgezahlt, dass er zur 675-Jahr-Feier von Hohenwutzen in diesem Jahr mit der Wehrleiterin von Cedynia (Zehden) Kontakt aufgenommen habe.
Trotz des Brandes herrschte gestern wieder Marktgeschehen an den unversehrten Ständen. Zu den – wie montags üblich – wenigen Kunden gesellten sich zahlreiche Schaulustige. „Das Leben wird weitergehen“, meinte Geschäftsführer Nicolas Gesch zuversichtlich.