Sächsische Zustände
Neonazis terrorisieren Kleinstädte. Die Landesregierung gängelt derweil demokratische Initiativen. Der Streit um die Extremismusklausel lenkt von der Alltagsmacht ab, die Rechtsextremisten vielerorts erobert haben.
Unweit der schäbigen Gaststätte, in der die NPD ihren Jahresauftakt in Limbach-Oberfrohna feierte, hatte Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) einen denkwürdigen Auftritt. Der Minister entstieg seiner Limousine und ließ sich von Bürgermeister Lothar Hohlfeld die Hand schütteln. Im Kino zeigte die Stadt, aufgeschreckt durch negative Presse, den Film „Sophie Scholl“. Draußen führte der Bürgermeister den Minister zu einem Plakat, auf dem stand: „Wir wollen keine Rechtsextremisten in unserer schönen Stadt“. Bürger, zu denen der Minister hätte sprechen können, waren nicht in Sicht, aber für die beiden Kamerateams baute sich Ulbig vor dem Plakat auf, nickte anerkennend und lobte mit ausladenden Handbewegungen und euphorischen Worten das deutlich sichtbare Signal, das auf diese Weise gesetzt werde. Bevor er nach wenigen Minuten wieder in seine Limousine stieg, sagte er in die Mikrofone, die Stadt sei auf einem guten Weg. Die große symbolische Geste ließe vermuten, dass der Minister vorbildliche Demokraten adelte. Die gibt es auch in Limbach-Oberfrohna, nur hatte Ulbig mit denen nicht gesprochen. Die Wahrheit in Limbach-Oberfrohna sieht anders aus als der Blitzbesuch suggeriert. Am Beispiel der Kleinstadt bei Chemnitz kann man viel darüber erfahren, wie Sachsen mit Rechtsextremismus umgeht. Es ist ein Lehrstück über Vertuschen, Verdrängen und staatliches Versagen.
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Veröffentlichung/ data publikacji: 01.06.2011